12.08.2016

Interview mit Marc Geisler: "Bye, bye Finanzverwaltung"

Immer mehr FHF-Absolventen verlassen die Finanzverwaltung trotz guter Beförderungsperspektiven und dem vielbeschworenen sicheren Arbeitsplatz innerhalb der ersten fünf Jahre nach bestandener Laufbahnprüfung. Marc Geisler (26 Jahre) ehemals Finanzamt Hagen ist einer von Ihnen. Er hat die Ausbildung im Jahr 2012 mit 'gut' abgeschlossen und wäre in naher Zukunft nach A10 befördert worden. Nach Einsätzen im Veranlagungsbezirk und in der Firmenstelle hätte er im Herbst gute Chancen gehabt, in die Betriebsprüfung eingesetzt zu werden. Trotzdem wechselte er am 1. Juli 2016 die Seiten. Warum? Rainer Hengst von der Blickpunktredaktion hat sich mit ihm getroffen, um dieser Frage nachzugehen.

 

Du warst in der Personalvertretung und in der Gewerkschaft aktiv. Wie hast Du die Zeit in der Finanzverwaltung als junger Mensch erlebt und welche Erfahrungen hast Du gemacht?

 

Auf meine sechs Jahre, zehn Monate und sieben Tage in der Finanzverwaltung schaue ich gerne zurück. Ich hatte eine super Zeit an der FHF und hab' dort viele Freunde gefunden, zu denen ich immer noch Kontakt habe. Nach meinem Abschluss 2012 wurde ich von meinem damaligen Veranlagungsbezirk gut aufgenommen. Auch der Wechsel im Dezember 2014 in die Firmenstelle lief reibungslos. Seit 2011 bin ich daneben auch in der Personalvertretung und der Gewerkschaft aktiv. Das hat meinem bisherigen Arbeitsleben Abwechslung verliehen und darüber habe ich mich auch persönlich weiterentwickeln können. Ich kann sagen, dass es für mich in der Finanzverwaltung gut gelaufen ist.

 

Auf mich hast Du auch immer einen ganz zufriedenen Eindruck gemacht. Jetzt mal Hand aufs Herz - was reizt Dich an der freien Wirtschaft mehr? Die Herausforderung oder die Bezahlung?

 

Ehrlich gesagt bin ich immer gern zur Arbeit gegangen. Was mich allerdings gestört hat, sind die starren Strukturen. Nach meinem Abschluss bis heute hatte ich keine Möglichkeit, befördert zu werden Das hat mich auf Dauer unzufriedener werden lassen. Der Reiz an der freien Wirtschaft liegt für mich in einem Zusammenspiel von beidem. Mein neuer Chef in der Steuerberatungskanzlei hatte bereits im ersten Gespräch einen klaren Plan vor Augen, in welcher Position er mich sieht und hat mir meine Entwicklungsperspektiven aufgezeigt. Dies habe ich in der Finanzverwaltung leider vermisst. Weiterhin freue ich mich darauf, steuergestaltend tätig zu werden. Gerade für junge Menschen spielt die deutlich bessere Bezahlung bei der Entscheidungsfindung natürlich eine große Rolle. Da können der sichere Arbeitsplatz sowie die hohe Pension als Gegenargumente nicht mithalten, zumal die Versorgung durch das Steuerberaterversorgungswerk ebenfalls gut ist. Man hat mir ein Angebot gemacht, dass ich nach reiflicher Überlegung nicht ablehnen konnte.

 

Darf ich fragen, wie Du die in Nordkirchen abgeschlossen hast? Hast Du bereits nach der Laufbahnprüfung über einen Wechsel in die freie Wirtschaft nachgedacht?

 

Ich habe Nordkirchen mit der Prüfungsgesamtnote 'gut' abgeschlossen. Da ich die Ausbildung als sehr anspruchsvoll und gut - anfänglich auch gut bezahlt - empfunden habe, war ein Wechsel in die freie Wirtschaft zu dem Zeitpunkt noch kein Thema. Die 'Ernüchterung' kam nach etwa einem Jahr im 'Hamsterrad' Veranlagungsbezirk, wo ich mein erlangtes Wissen nicht anwenden konnte. Ich bin dann auch zuhause ausgezogen und musste feststellten, dass ich nach Abzug meiner Fixkosten als A 9er effektiv weniger Geld in der Tasche hatte als während meiner Ausbildungszeit.

 

Was hätte die Finanzverwaltung tun müssen, um Dich zum Bleiben zu bewegen?

 

Eine Sprungbeförderung nach A 13 sowie eine freie Stellenwahl! Spaß beiseite: Innerhalb des starren Systems der Finanzverwaltung sehe ich für mich keinen Anreiz, der mich zum Bleiben animiert. Das Finanzamt Hagen hat alles in seinem Rahmen mögliche für mich getan. Nach zwei Jahren Veranlagungsbezirk bin ich in die Firmenstelle gewechselt und hätte die Aussicht, bald in die BP zu kommen. Meine Beurteilung zum 31. März 2016 lag im sehr guten Bereich. Ich kann mich also definitiv nicht beschweren. Mich persönlich hat aber einfach der lange Weg, bis tatsächlich etwas 'Zählbares' dabei rauskommt, gestört.

 

Abschließend möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich noch bei den zahlreichen Menschen, die meinen Verwaltungsweg mit mir gemeinsam gegangen sind, bedanken. Ich werde auf die angenehme Zeit gerne in der Zukunft zurückblicken. Jetzt freue ich mich aber auf meine neue berufliche Herausforderung. Und da man sich immer zwei Mal im Leben sieht, sage ich Tschüss und auf Wiedersehen.