23.02.2017

§ 19 Abs 6 Frauenförderung: Finanzminister will sich kurzfristig um Lösung bemühen!

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Das Oberverwaltungsgericht NRW hat am 21.02.2017 entschieden: Die Vorschrift des § 19 Abs. 6 LBG ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die neuen Beförderungslisten sind unzulässig und können nicht auf die Neufassung des LBGs gestützt werden. Damit bestätigt das OVG die Rechtsauffassung von 6 Verwaltungsgerichten und den Gewerkschaften.

 

Zu einer Umsetzung des Richterspruchs im Interesse der Kolleginnen und Kollegen in der Finanzverwaltung wird es allerdings weiterhin nicht kommen. Die Landesregierung wird gegen die Beschlüsse Revision einlegen. Man ist, so Innenminister Ralf Jäger und Ministerin Barbara Steffens, weiterhin von der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift überzeugt. Die Landesregierung hat darüber hinaus angekündigt, man wolle nun ein "Normenbestätigungsverfahren" beim Landesverfassungsgericht in Münster anstoßen. Beförderungen nach A 12 (FÄ, Steufa) und nach A 13 (GKBP und Steufa) bleiben daher weiterhin gestoppt.

 

Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans machte gegenüber der DSTG deutlich, dass er hinter der Entscheidung der Landesregierung stehe. Die Auswirkungen auf die Beschäftigten der Finanzverwaltung halte er aber für nicht akzeptabel. Er suche daher nach Möglichkeiten, trotz komplizierter Gemengelage sachgerechte Lösungen im Interesse der Kolleginnen und Kollegen zu finden. Die DSTG hat ihre Unterstützung zugesagt.

 

Das Oberverwaltungsgericht führt in seinem Urteil vom 21.02.2017 aus:

 

§ 19 Abs. 6 Satz 2 LBG NRW unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Nach dieser Vorschrift sind Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Verfassungswidrig ist jedoch der Satz 3, wonach von einer im Wesentlichen gleichen Qualifikation bereits auszugehen ist, wenn die aktuelle dienstliche Beurteilung der Frau und des Mannes ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist.

 

Ein so reduzierter Qualifikationsvergleich verstößt gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG). Dieses gebiete, dass der für das Beförderungsamt am besten geeignete Bewerber ausgewählt werde. Auswahlentscheidungen dürften nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Hierzu gehört nicht der Aspekt der Frauenförderung. Der Verfassungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, für eine Gleichberechtigung von Frauen im Tatsächlichen zu sorgen, kann auch unter Wahrung des Prinzips der Bestenauslese verwirklicht werden.

 

Die Landesregierung will sich vom Urteil des OVGs nicht beeindrucken lassen. Sie wird den weiteren Rechtsweg beschreiten. Das wurde bereits am Abend der Urteilsverkündung bekannt gegeben. Die Aussagen der politisch Verantwortlichen, man wolle nach der Entscheidung des OVGs erst einmal die Sach- und Rechtslage sowie die Auswirkungen des Verfahrens genau prüfen, wurde damit hinfällig.

 

In der Pressekonferenz wenige Stunden nach der Urteilsverkündung stellten sich Innenminister Jäger (SPD) und Gesundheitsministerin Steffens (GRÜNE) hinter die Neuregelung und damit gegen den Inhalt des Urteils. Um zu einer schnelleren Klärung der Frage der Verfassungsmäßigkeit zu kommen wolle man nun ein "Normenbestätigungsverfahren" beim Landesverfassungsgericht anregen. Ob denn das Landesverfassungsgericht, dass teils auf die Sachkunde der Richter am OVG zurückgreift, zu einem anderen Urteil kommen wird, darf als fraglich angesehen werden. Bei der DSTG ist der Eindruck entstanden, als gäbe es bei dieser Entscheidung, die eine Klärung frühestens in einem Jahr zulassen wird, durchaus wahltaktische Motive.

 

Zu dem Instrument eines "Normenbestätigungsverfahrens" ist festzustellen, dass ein solches Verfahren im Land bisher nicht genutzt wurde bzw. weitgehend unbekannt ist. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass erst in der Landtagssitzung am 16.02.2017 ein Antrag der FDP-Fraktion auf Durchführung eines "Normenkontrollverfahrens" (bestens bekannt aus der Besoldungsentscheidung 2014) an den Gegenstimmen von SPD und GRÜNEN und bei Enthaltung der CDU gescheitert war. Wenn jetzt also ein "Normenbestätigungsverfahren" der richtige Weg ist, warum war es nicht bereits nach den Verwaltungsgerichtsbeschlüssen oder früher möglich, diesen Weg zu beschreiten? Oder warum hat man dann nicht das Normenkontrollverfahren unterstützt?

 

Nach Auffassung der DSTG betreibt die rot/grüne Landesregierung in dieser Frage "Rechthaberei" auf dem Rücken der Beschäftigten. Denn es sind die zur Beförderung anstehenden Männer und Frauen, die mit dem Ausfall der höheren Besoldung den Preis dafür bezahlen. Wir gehen in der Finanzverwaltung NRW aktuell von ca. 300 betroffenen Kolleginnen und Kollegen aus, die mit rund 350,-- € brutto monatlich für die Unbeweglichkeit von Teilen der Landesregierung bezahlen. Und monatlich werden es mehr.

 

Eine Anmerkung am Rande: Den Ministerinnen Löhrmann (GRÜNE), Steffens (GRÜNE) und Dücker (GRÜNE) liegt das Thema "Frauenförderung im öffentlichen Dienst" angeblich besonders am Herzen. Dennoch bestehen die Ministerinnen auf die Durchsetzung des Satzes 3 ohne Kompromisse und ohne Rücksicht auf (politische) Verluste. Es fällt auf, dass aus den Ressorts dieser Ministerinnen bisher weder Klagen noch Eilverfahren vorliegen. Offensichtlich sind diese Ministerien aufgrund der dortigen Stellenstruktur von der Neuregelung nicht betroffen. Ganz anders Polizei und Finanzverwaltung, bei denen die Listenbeförderungen nach individuellen Leistungsbeurteilungen strukturell unverzichtbar sind.

 

Das OVG gibt im Rahmen des Urteils eine Reihe von Hinweisen, wie das wichtige Thema der Frauenförderung verfassungsrechtlich sauber in die Beurteilungs- und Beförderungssystematik eingebunden werden könnte. Hier sieht die DSTG dringenden Handlungsbedarf, aber auch echte Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne eines sachgerechten Beurteilungssystems. Die DSTG ist in diesen Themen zu Gesprächen bereit, denn das Thema der Frauenförderung ist zu wichtig, als das es in dem hier anliegenden Streit zerrieben werden darf.

 

Es bleibt dabei: Jetzt müssen Möglichkeiten gefunden oder geschaffen werden, die Schluss machen mit der finanziellen Benachteiligung der Leistungsträger. Die offenen Beförderungen müssen nach dem Richterspruch des OVGs auch bei noch nicht abschließend geklärter Rechtslage ermöglicht werden.

 

Die DSTG begrüßt in diesem Zusammenhang die Ankündigung von Finanzminister Walter-Borjans, sich kurzfristig um Lösungen zu bemühen. Einfach wird das nicht.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Beförderung ist immer auch Ausdruck der besonderen Wertschätzung durch den Arbeitgeber. In der Finanzverwaltung ist sie Ergebnis einer individuellen Beurteilung von Leistung, Befähigung und Eignung. Die Vorgehensweise der Landesregierung, ihre Rechtsauffassung auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen durchzusetzen, ist nicht akzeptabel. Innovative Lösungen sind gefragt, ggfs auch nur für die Finanzverwaltung. Ganz egal, wann Wahlen sind!