11.10.2016

Frauenförderung § 19 Abs. 6 LBG n.F.: Rot/Grün weiter von Verfassungsfestigkeit überzeugt

In einer Aktuellen Stunde im Landtag sagte Justizminister Thomas Kutschaty am 07.10.2016, die Landesregierung sei weiterhin von der Verfassungsfestigkeit der Neuregelung des § 19 Abs. 6 LBG überzeugt. Wenn nötig, so berichtete der Kölner Stadtanzeiger in seiner Montagsausgabe vom 10.10., werde man bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Gegen die 5 anderslautenden Beschlüsse von verschiedenen Verwaltungsgerichten gehe man juristisch vor. Mit einer Aufhebung der von den Gerichten verhangenen Beförderungssperre ist bis zum Abschluss der Verfahren nicht zu rechnen.

 

Die Finanzverwaltung ist von der Neuregelung der Aufstellung von Beförderungslisten besonders betroffen. Die Landesregierung hat in Beantwortung einer Kleinen Anfrage des FDP-Abgeordneten Ralf Witzel am 05.10.2016 Stellung genommen (LT-Drucksache 16/13115). Demnach haben sich zum 01.07.2016 insgesamt 673 Frauen in den Beförderungslisten der Finanzverwaltung NRW verbessert und 699 Männer verschlechtert.

 

Bisher wurden auf gerichtliche Anordnung alle Beförderungen im Bereich der Steuerfahndung nach A 12 und im Bereich der GKBP nach A 13 gestoppt. Das gilt für Frauen und Männer.

 

In bisher fünf Entscheidungen haben verschiedene Verwaltungsgerichte aus NRW den klagenden Männern Recht gegeben und eine Korrektur des § 19 Abs. 6 gefordert. Dabei wurden sowohl formale als auch inhaltliche Bedenken ins Feld geführt. Das Land wendet sich gegen diese Entscheidungen und hat Anfang Oktober das Oberverwaltungsgericht angerufen.

 

Besondere Sorge macht die Ankündigung Kutschatys, auch im Falle eines Unterliegens im Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht, an der Geltung der Vorschrift festzuhalten. Bis zu einer eventuell notwendigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs könnten viele Jahre vergehen. Eine Anmerkung am Rande: Es ist schon bezeichnend, wenn ausgerechnet ein NRW-Justizminister den Beschlüssen und Urteilen der NRW-Gerichtsbarkeit nicht vertraut.

 

Derzeit ist davon auszugehen, dass spätestens im Laufe des kommenden Jahres nahezu alle Beförderungslisten in der Finanzverwaltung im gehobenen Dienst ab A 11 und im höheren Dienst ab A 14 gesperrt sein könnten. Langfristig würde dies durch Wechselwirkungen im schlechtesten Fall zu einem kompletten Beförderungsstopp im gehobenen und höheren Dienst führen. Eine Aufhebung dieser Sperren käme vermutlich erst nach der rechtlichen Klärung in Betracht.

 

Die DSTG hat kein Verständnis dafür, dass die Landesregierung ihre zweifelhafte rechtliche Einschätzung auf dem Rücken der zur Beförderung anstehenden Beamtinnen und Beamten durchsetzen will. Das Ziel einer sachgerechten Frauenförderung wird auch von der DSTG geteilt, mit der Neuregelung des § 19 Abs. 6 allerdings deutlich verfehlt. Das gilt insbesondere, wenn für die Dauer der Klageverfahren weder Frauen noch Männer befördert werden. Über die Folgen für Nachwuchsgewinnung und Personalbestandssicherung kann in diesem Zusammenhang nur spekuliert werden.

 

Landesregierung und Landtag müssen sich überlegen, ob sie mit jahrelangen Prozessen Beförderungen blockieren wollen, obwohl ihnen Verwaltungsgerichte bereits heute die Gesetzgebungskompetenz absprechen und die inhaltliche Regelung für verfassungsrechtlich bedenklich erklären. Und sie müssen sich überlegen, ob sie mit dem Beharren auf ihrer (zumindest anfechtbaren) Rechtsposition im Wahljahr eine Kampfansage an die Beamtinnen und Beamten richten wollen.