05.11.2014

Die Abschaffung des höheren Dienstes

Dr. Andreas Eich

Ein Kommentar von Dr. Andreas Eich

Neulich las ich in einer weit verbreiteten Tageszeitung: "Im höheren Dienst werden sie ( .. die Beamten .. ) auch nicht schlecht bezahlt". Der Verfasser dieses Kommentars, wohl kein Beamtenhasser, wie seine Ausführungen im Übrigen erkennen ließen, wollte damit zum Ausdruck bringen: "Die Beamten des höheren Dienstes werden gut bezahlt". Ich weiß nicht, warum sich diese Meinung so hartnäckig hält, immer und immer wiederholt wird und bei jedermann haften bleibt. Vielleicht, weil doch etwas dran ist? Hier lohnt ein genauer, klarer Blick, nicht verstellt durch weit verbreitete Vorurteile oder getrübt durch Gerede auf Stammtischniveau.

 

Nein, das ist nicht zu viel!

 

Was also verdient ein Spitzenbeamter im höheren Dienst am Ende seiner Karriere - sagen wir einmal in der höchsten Besoldungsstufe der A-Besoldung, also mit A 16, als Dienststellenleiter eines Finanzamts mit rund 200 oder 250 Bediensteten und einem Steueraufkommen von einer halben oder einer ganzen Milliarde Euro? In der Finanzverwaltung angefangen hat er in einem Alter von 30 Jahren, nach langjährigem Studium der Rechtswissenschaften und einer mehrjährigen Rechtsreferendarzeit. Dabei musste er gute Examensnoten vorweisen, um angenommen zu werden - mit Durchschnitt begnügt sich die Finanzverwaltung nicht. Er hat mittlerweile 25 Jahre gearbeitet, sich ins Zeug gelegt, hat Führungskompetenzen erworben und sich ständig fachlich verbessert, hat viele Male neue Aufgaben übernommen und viele Veränderungen erlebt und kritisch und lenkend begleitet. Jetzt ist er in einem Alter von 55 Jahren am Ende seiner Karriere angekommen. Er war fleißig, ist schneller befördert worden als andere, hat vielleicht auch ein wenig Glück gehabt. Viel mehr bietet die Finanzverwaltung nicht, wenn man von zwei Handvoll noch ein wenig besser besoldeter Dienstposten absieht. Was also verdient ein 55jähriger Spitzenbeamter am Ende seiner Karriere? Er verdient netto nach Abzug der Krankenversicherungsbeiträge für sich selbst, seine Ehefrau und zwei Kinder etwa 4.400,- Euro. Ist das viel? Nein, das ist nicht viel!

 

Vergleich mit dem gehobenen Dienst

 

Leicht gesagt, werden Sie denken, und vielleicht haben Sie schon den ein oder anderen "Gegenbeweis" auf der Zunge. Meine Behauptung braucht natürlich einen Maßstab, der sie rechtfertigt. Diesen Maßstab zu finden ist - das muss ich zugeben - schwer, schon alleine deshalb, weil es immer einen Aspekt gibt, der einer objektiven Bewertung nicht zugänglich ist und den man deshalb beliebig verwenden kann - so wie den "sicheren Arbeitsplatz", der noch jede Gehaltskürzung begründen half. Mein Gradmesser soll dieses Mal der Vergleich mit einer anderen Laufbahngruppe in der Finanzverwaltung sein, nämlich der des gehobenen Dienstes. Hier handelt es sich um einen Abiturienten, der nach dem Abitur eine Fachhochschule besucht, sich in einer komplexen, schwierigen Materie fachkundig gemacht und seine Prüfung nach dreijährigem Studium in einem Alter von 22 Jahren mit einem guten bis überdurchschnittlich guten Ergebnis bestanden hat. Er ist in seiner Laufbahngruppe ebenfalls Spitzenbeamter, hat im Laufe der Jahre viele verschiedene Aufgaben innerhalb des Finanzamtes übernommen und wird, wenn er fleißig ist, sich ständig fachlich verbessert und Führungseigenschaften zeigt, am Ende seiner Laufbahn mit ein wenig Glück Sachgebietsleiter in einem Finanzamt und vielleicht 20 Bediensteten in seinem Sachgebiet. Er verdient dann mit 55 Jahren netto nach Abzug der Krankenversicherungsbeiträge für sich selbst, seine Ehefrau und seine beiden Kinder etwa 3.500 Euro.

 

25 Jahre Arbeit bis zum Gleichstand

 

Mal abgesehen davon, dass die Nettogehälter beider Besoldungsgruppen für so viel Fachwissen, Verantwortung und Leistung nicht gerade üppig sind: lohnt es sich also doch, ein Universitätsstudium einem Fachhochschulstudium vorzuziehen? Nein, es lohnt sich - wirtschaftlich betrachtet - nicht. Denn der Kollege aus dem gehobenen Dienst hat sein erstes Gehalt mit 22 verdient, der Kollege des höheren Dienstes mit 30 Jahren. Das sind 8 Jahre Gehalt, die erst einmal aufgeholt werden müssen. Bei dem beschriebenen Gehaltsunterschied der beiden Laufbahngruppen bedeutet das erst einmal 25 Jahre Arbeit bis zum "Gleichstand" der beiden Lebensarbeitseinkommen, und den erreicht der Kollege des höheren Dienstes erst im Alter von 55 Jahren.

 

Krasses Missverhältnis

 

Wer das Universitätsstudium wählt, muss nicht nur in jüngeren Jahren auf ein regelmäßiges Einkommen verzichten. Er muss sich auch bis zu seinem 55´zigsten Lebensjahr mit einem geringeren Lebensarbeitseinkommen abfinden. Das heißt: der Abstand zwischen den beiden Laufbahngruppen ist zu gering. Das Abstandsgebot verlangt nichts anderes als dass der Netto-Gehaltsabstand zwischen zwei Besoldungsgruppen so groß ist, dass die erforderliche Ausbildung, die für das Amt erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, die Inanspruchnahme des Amtsinhabers und die Verantwortung des jeweiligen Amtes angemessen entlohnt werden. Kurz gesagt: wir alle werden nicht besonders gut bezahlt. Der höhere Dienst wird - wider alles Stammtischgegröle - noch ein wenig schlechter bezahlt. Da verwundert es, dass sich immer noch Juristen für die Finanzverwaltung bewerben. Man könnte meinen, der höhere Dienst solle abgeschafft werden. Mal sehen, wie lange das gut geht. "Vorbildung, Ausbildung, Leistung und Verantwortung einerseits und Besoldung andererseits stehen in einem krassen Missverhältnis". Dieser Satz ist 40 Jahre alt. Die Gewerkschaft hatte ihn damals formuliert, und er ist aktuell wie nie.