04.12.2015

Kommentar: Im Westen nichts Neues ...

Dr. Andreas Eich, Leiter des Arbeitskreises höherer Dienst der DSTG NRW zum Abschlussbericht "Zukunft der Finanzverwaltung"

Dr. Andreas Eich, Leiter des Arbeitskreises Höherer Dienst der DSTG NRW

Die Erwartungen waren groß. Da übergibt der Staatssekretär dem Minister in den Räumen des Innenministers vor einer Schar von Dienststellenleitern und anderen geladenen Gästen beinahe feierlich einen Bericht zur "Zukunft der Finanzverwaltung". Schon der Aufwand, der bei der Überreichung der dünnen Broschüre in Hochglanz betrieben wurde, weckt Hoffnungen. Über diesen Bericht war im Vorhinein - und das ist tatsächlich eine Leistung - rein gar nichts zu hören. Der geneigte Betrachter ist neugierig: "Da müssen visionäre Gedanken gedacht und ein faszinierender Entwurf gemalt worden sein, der der Finanzverwaltung einen neuen Horizont öffnen wird".

 

Gespannt streckt er sich auf seinem Stuhl und lauscht aufmerksam ....... und dann das: kein neuer Gedanke, keine Überraschung, nichts wirklich Neues, ja nicht einmal irgendeine wenigstens anregende Überlegung. Der Betrachter sinkt enttäuscht in seinem Stuhl zurück, überfliegt die Zusammenfassung des Berichts und denkt bei dem Vorschlag, bei der Kommunikation mit dem Bürger eine verständliche Sprache zu verwenden - ja, der findet sich tatsächlich in der Zusammenfassung - mit Wehmut an die zwei Jahrzehnte alte, ebenfalls glänzende und übrigens sehr gute Broschüre mit dem Titel "Bürgernahe Verwaltungssprache" zurück.

 

Der Minister dankt mir für meine Mitarbeit an diesem Bericht, und ich bin beschämt, weil ich gar nicht mitgearbeitet habe - mal abgesehen von der organisatorisch tollen Veranstaltung vor zwei Jahren in Nordkirchen mit einem wegen der großen Teilnehmerzahl ungewöhnlichen "Brainstorming". Aber das war nun wirklich auch nur ein "Brainstorming", tauglich als Ideengeber für eine neue Werbekampagne, untauglich als Grundlage für den ernsthaften Entwurf einer Finanzverwaltung der Zukunft.

 

Um sich zu trösten, hat der Schreiber dieser Zeilen die Zusammenfassung seinem alten Vater gezeigt, auch ein Finanzbeamter, der mehrere Jahrzehnte die Entwicklung der Finanzverwaltung begleitet hat. Seine Kommentare: "Alter Hut!", "Kenne ich, haben wir schon damals diskutiert" oder "Ehrlich? Schon wieder? Ach du je!". Nur eine Sache musste ich erklären, und zwar den Begriff des Bürger-Accounts, den der alte Herr nicht kannte.

 

Vielleicht habe ich zu viel erwartet. Ich will in meiner Enttäuschung auch nicht ungerecht werden, und deshalb füge ich hinzu: ein Gedanke ist jedenfalls für mich neu. Es geht um die Überlegung, ob der Bürger nach Ablauf einer gewissen Bearbeitungszeit, in der noch kein Steuerbescheid erlassen werden konnte, einen Anspruch auf erklärungsgemäße Veranlagung hat. Das ist doch einmal eine spannende Idee - wenn auch gerade diese Idee kaum eine Aussicht auf Verwirklichung hat.

 

Nein, hier gibt es keinen großen Entwurf, keinen mutigen Schritt in die Zukunft, eher eine nüchterne, zusammenfassende Beschreibung des Weges, auf dem sich die Finanzverwaltung schon lange befindet und den wir natürlich gemeinsam weitergehen werden. Und da hilft der Bericht dann doch ein wenig: er legt sich nicht fest und ist so offen formuliert, dass man mit seinen Statements jede, wirklich jede weitere Entwicklung begründen kann. Der Betrachter nimmt auf seinem Stuhl wieder eine aufrechte Sitzposition ein, sieht gelassen in die Zukunft und denkt:

 

"Viel Lärm um Nichts!"