06.02.2018

„Bürgerversicherung ist wie DDR 2.0“

"Die Bürgerversicherung bringt ein Ende der Ungleichbehandlung, ein Ende der Zwei-Klassen-Medizin", glaubt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Wenn für alle Versicherten das gleiche gezahlt werde, hätten die Ärzte keine Anreize mehr, Privatversicherten einen früheren Termin zu geben. Wettbewerb würde trotzdem bestehen, weil es nicht eine Versicherung für alle gebe, sondern weiterhin private und gesetzliche Versicherungen. Hat er recht oder ist die Bürgerversicherung eher wie DDR 2.0, wie sie der Allianz-Chef Oliver Bäte in einem Interview mit der Rheinischen Post bezeichnete? Kräftiger Gegenwind kommt insbesondere auch vom Deutschen Beamtenbund, der die Beihilfe als integralen Bestandteil des Beamtenverhältnisses sieht und somit die Bürgerversicherung ablehnt.

Viele Fragen, keine zufriedenstellenden Antworten

Die von der SPD bei den Koalitionsverhandlungen geforderte Bürgerversicherung wirft viele Fragen auf. Zufriedenstellende Antworten gibt es nicht. Welche Rolle werden die bisherigen PKV-Unternehmen spielen? Diese bieten dann keine Krankenvollversicherung mehr an, sondern lediglich Zusatzversicherungen, die wie in einem Cafeteria-Modell modular dazu gebucht werden können? Bisher subventioniert die PKV stückweit die GKV, da Ärzte bei den PKV-Versicherten höhere Abrechnungen vornehmen können. und das fließt wiederum in die Ausstattung der Praxis etc. mit ein, die ebenso den GKV-Versicherten im heutigen System zu Gute kommt. Ökonomen sprechen hier von einer "Zwei-Klassen-Finanzierung" statt einem "Zwei-Klassen-System".

 

Radikales "Reset" nicht möglich

Würden die GKV-Versicherten durch einen Systemwechsel tatsächlich einen deutlichen Unterschied bemerken? Ihre Zahl liegt rund 72 Millionen Versicherte - die PKV kommt auf rund neun Millionen Versicherte. Hierbei geht es nämlich primär um die Einnahmenseite des Gesundheitswesens (nicht um die Ausgabenseite und der damit verbundenen Qualität). Und was passiert mit den privaten Rückstellungen (mehr als 230 Milliarden Euro) der PKV-Versicherten passieren würde. Würden diese in das neue System fließen als Quasi-Beitragsrückstand? Insgesamt ist ein radikales kurzfristiges "Reset" nach Meinung von Fachleuten nicht möglich. Private Krankenversicherungen sind Unternehmen, die ohnehin nicht enteignet werden können.

 

Beamte würden benachteiligt

Der Beamtenbund hat sich auf der Jahrestagung in Köln Mitte Januar erneut gegen eine Bürgerversicherung gestellt, da sie Beamte benachteiligt, wenn die Beihilfe wegfallen würde. Er unterstrich noch einmal, dass Beihilfe ein integraler Bestandteil des Beamtenverhältnisses ist "Das Einheitsversicherungsmodell der SPD löst weder die finanziellen oder strukturellen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung, noch sorgt es für mehr Gerechtigkeit", argumentiert dbb Chef Silberbach. Mangels Konkurrenz und Quersubventionierung "werden am Ende alle gesetzlich Versicherten schlechter versorgt sein als heute und die, die es sich leisten können, werden sich qualitativ hochwertige ärztliche Versorgung auf dem 'Markt' dazu kaufen. Weitere Kritiker wie die Initiative "Bürgerversicherung? Nein danke" sehen durch die Einheitsversicherung keine Verbesserung des Gesundheitssystems. Ihrer Meinung nach würde die Bürgerversicherung sogar noch mehr Ungleichheit schaffen. Denn die fehlenden Einnahmen durch Privatpatienten dürften für viele Ärzte nur schwer zu stemmen sein

 

Anmerkung der Redaktion: Im Sondierungspapier von Union und SPD taucht das Wort Bürgerversicherung zwar nicht auf, Teile der Sozialdemokraten wollen dies aber in möglichen Gesprächen über eine neue große Koalition nachverhandeln.